Informationspflicht

Nebenwirkungen und Risiken von Brustvergrößerungen. Wer hat wie zu informieren? 

Bei einem Brustimplantat handelt es sich um ein Medizinprodukt der Risikoklasse III. Für Materialfehler eines Medizinproduktes haftet nach dem Produkthaftungsgesetz der Hersteller/Importeur, da er das Medizinprodukt in den Verkehr bringt. Der Arzt ist hingegen in der Regel lediglich Anwender und somit nicht für die bestimmungsgemäße Beschaffenheit der Prothese verantwortlich, sondern lediglich für die Information über Risiken und Nebenwirkungen. Diese Informationen bezieht er in der Regel vom Hersteller aus der Patienteninformation. Wer informiert also wie und wen? Leider gibt es in der Gesetzgebung zu viele Lücken und wir Patienten sind nicht ausreichend geschützt. 

Die Informationspflicht des Herstellers zu seinen Produkten in Form einer Patienteninformation ist zwar gegeben, aber die Wenigstens von uns haben vor der OP eine solche Patienteninformation gesehen. 

Aus unserer Sicht ist Motiva einer der "gewissenhaftesten" Hersteller mit den ausführlichsten Informationen zu den Risiken. Von keinem andrem Hersteller haben wir bisher so eine Beschreibung gesehen. Wenn aber der Hersteller alles in seiner Patienteninformation abdruckt und somit den Arzt informier, liegt die Verantwortung nun beim Arzt. So schreibt es z. B. auch Motiva: "Establishment Labs vertraut darauf, dass Ihr Chirurg Ihnen die bestehenden Risiken und Vorteile der Implantation erklärt. Es liegt auch in der Verantwortung des Chirurgen, Ihre formelle Einwilligungserklärung zur Durchführung des chirurgischen Eingriffs einzuholen.
Als Patientin erhalten Sie während Ihrer chirurgischen Beratung das Dokument von Establishment Labs zum Thema „Brustvergrößerung und -rekonstruktion mit Motiva Implants® – Informationen für die Patientin“. Sie benötigen genügend Zeit, um die in diesem Dokument enthaltenen Informationen zu den Risiken, Vorteilen und Empfehlungen im Zusammenhang mit der Brustimplantation mit Silikongel zu lesen und vollständig zu verstehen.
Um einen erfolgreichen fundierten Entscheidungsprozess zu dokumentieren, sollten Sie, ein Zeuge und Ihr Chirurg das Einwilligungserklärung unterzeichnen, die Teil Ihrer medizinischen Akte sein wird."

Wenn also der Chirurg tatsächlich diese Informationen hat, aber nicht weiter gibt, dann hat dieser aus unserer Sicht nicht schonungslos und ausführlich aufgeklärt. 

Aufklärungspflicht des Arztes muss schonungslos sein. Insbesondre bei kosmetischen Operationen müssen Risiken und Nebenwirkungen von Silikonimplantaten schonungslos erläutert werden. 

Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung und das Maß dieser Aufklärung über die Möglichkeiten schädlicher Folgen sind umso weitgehender, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder geboten er- scheint. „Noch weniger als sonst ist es selbstverständlich, dass er in Unkenntnis dessen, worauf er sich einlässt, dem ärztlichen Eingriff zustimmt“ (BGH, MedR 1991, 85 f.). Deshalb ist ein Minus an medizinischer Indikation durch ein Plus an Aufklärung auszugleichen, anders formuliert: Je weniger dringlich und notwendig der Eingriff, desto höher und strenger sind die Anforderungen der Rechtsprechung in puncto Aufklärung. Eine kosmetische Operation verlangt also deutlich mehr Aufklärung. Verlangt wird insoweit eine Aufklärung in angemessener Zeit vor der Operation „in besonders eindringlicher Weise“ (OLG Düsseldorf, VersR 2003, 1579), eine subtile, deutliche, ggf. „drastische und schonungslose“ (OLG Bremen, VersR 2004, 911; OLG Hamm, VersR 2006, 1511, 1512) Aufklärung über alle Einzelheiten der Risiken, Folgen und Misserfolgsquoten, da der Patient „vor unüberlegten und vor übereilten Schritten gewarnt“ und unter Umständen auch „geschützt werden muss“ (Jaeger, VersR 2006, 1511; zum Ganzen siehe auch Ulsenheimer, Zentralblatt für Gynäkologie, 2005, 66 ff., 68 f.). Besonders wichtig erscheint daher der – auch vom OLG München hervorgehobene – Hinweis an den Patienten, dass der Erfolg des Eingriffs nicht garantiert werden kann. 

Siehe auch hier unser Kapital zu Urteilen. Wenn die Aufklärung nicht ausreichend war, kann die Einwilligung der Klägerin in die Operation als unwirksam erklärt werden mit der Folge, dass ihr Schadensersatzansprüche zustehen.

Das klingt alles etwas kompliziert ausgedrückt, aber enthält die entsprechenden Hinweise auf die Rechtssprechung. Konkret muss Dein Arzt nachweisen, dass er ausführlich und schonungslos aufgeklärt hat. Der Bogen zur Aufklärung reicht aus unserer Sicht nach den neuesten Erkenntnissen nicht aus. Vielmehr müssten die neuen Erkenntnisse der FDA einfließen. In unserem YouTube Video gehen wir auf den Aufklärungsbogen ein: https://youtu.be/KazNmcHP4os?t=295 ab Minute 4:45 beginnt dieser Link. 

Weiterhin sind die Ausführungen der Rechtsanwältin, die auch bei Stern TV war, sehr gut beschreiben: https://www.rechtsanwaeltin-bohn.de/erhoehte-anforderung-an-die-aufklaerung-vor-operativen-brustvergroesserungen-einsetzen-von-brustimplantaten/

Informationspflicht bei einem Rückruf. Der Allergan Rückruf wird nicht ausreichend transparent in die Öffentlichkeit gebracht. Leider werden viele erst durch die sozialen Medien informiert. 

In unserem Brief an Politiker weisen wir auf diesen Misstand hin. Es kann doch nicht sein, dass Allergan den Verkauf stoppt, die Lagerbestände der Brustimplantate zurückruft und wir als Betroffene nicht informiert werden, oder? Aber das ist geltendes Recht. Schließlich hast Du einen Implantatpass und kannst so selbst gucken, ob Dein Implantat von einer sogenannten "korrektiven Maßnahme" betroffen ist. Es ist nicht einmal möglich alle Allergan-Trägerinnen herauszufinden, weil es noch kein einheitliches Implantateregister gibt. 

Die Antwort vom BfArM auf unseren Brief lautet sinngemäß: "Uns trifft keine Schuld, wir halten uns an geltendes Recht!" Beim Blick in das geltende Recht wird leider schnell klar, dass dies uns Patienten nicht ausreichend schützt. Verordnung über die Erfassung, Bewertung und Abwehr von Risiken bei Medizinprodukten (Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung - MPSV)
§ 16 Verpflichtung zur Mitwirkung an den korrektiven Maßnahmen
"Der in § 3 Absatz 2, 3 und 5 genannte Personenkreis (RvB: Arzt, etc.) hat an den korrektiven Maßnahmen entsprechend den Maßnahmenempfehlungen mitzuwirken, die der Verantwortliche nach § 5 des Medizinproduktegesetzes eigenverantwortlich oder auf Anordnung der zuständigen Behörde herausgegeben hat. Dies gilt für Maßnahmenempfehlungen des Sponsors der klinischen Prüfung oder Leistungsbewertungsprüfung entsprechend."

Das BfArM ist in Deutschland die höchste Instanz, die für die Sicherheit von Medizinprodukten steht, ist also nicht verantwortlich zu Informieren. Nach der MPSV hat Dich also Dein Arzt zu informieren. Wenn er dies aber unterlässt? Dann gibt es leider keine Rechtsfolge. Eine aus der Pflichtverletzung entstandener Schaden wir scher nachzuweisen sein. 

Hier veröffentlicht das BfArM Mitteilungen, die der Hersteller an seine Kunden versendet. Kunden der Hersteller sind in diesem Fall Ärzte und Krankenhäuser. 

Informationspflicht des TÜVs? Der TÜV muss regelmäßige Kontrollen bei Herstellern durchführen. Wie kann es also sein, dass dem TÜV nicht auffällt, dass PIP seinerzeit Tonnen an Bausilikon bestellt hat? 

Zum TÜV, der seinerzeit die PIP Implantat zugelassen hat, gibt es immer noch kein abschließendes Urteil. Die meisten PIP Betroffenen gehen leer aus, weil der Hersteller Insolvenz angemeldet hatte. Die Gesetzlichen Krankenversicherungen hatten auf Grund der Empfehlung des GKV Spitzenverbandes die Operationskosten für Betroffene gezahlt, weil ein Produktfehler offensichtlich war. Die körperliche Unversehrtheit war in Gefahr. Die GKV verklagt heute noch den TÜV auf Schadenersatz, weil dem TÜV hätte auffallen müssen, dass es sich um billiges Bausilikon handelt. 
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